Wie alles begann: Otto Buchinger – Pionier des medizinischen Fastens
Arzt, Philosoph, Pionier des medizinischen Fastens – Dr. Otto Buchinger lebt ein bewegtes Leben in bewegten Zeiten: 1878 kommt er in Darmstadt als Sohn des Regierungsrats Johann Buchinger und dessen Frau Amalie, geb. Busch, zur Welt und wächst auf zu einer Zeit, in der die sogenannte Lebensreformbewegung in Deutschland ihren Höhepunkt erreicht: Weil zunehmend auch negative soziale und gesundheitliche Folgen der fortschreitenden Industrialisierung und Verstädterung spürbar werden, propagieren die VertreterInnen dieser Bewegung die Rückkehr zu einer weniger materialistischen und naturgemäßeren Lebensweise. Otto Buchinger widersetzt sich den Plänen seines Vaters, der eigentlich eine juristische Laufbahn für ihn vorgesehen hatte, und studiert Medizin. Nach seiner Promotion geht er zur Kaiserlichen Marine. Dort dient er als Marineoffizier – bis ihn 1917, kurz vor dem Ende des Ersten Weltkriegs, eine schwere rheumatische Polyarthritis aus der Bahn wirft.
Durch Selbsterfahrung zum Fastenexperten
Seine Bewegungsfähigkeit ist bald so eingeschränkt, dass er als Invalide aus dem Militärdienst ausscheidet. Sein persönlicher Leidensdruck und die Machtlosigkeit der Schulmedizin wecken sein Interesse an alternativen Behandlungsweisen. Bei Dr. Riedlin, der in Freiburg im Breisgau Fasten mit Tee und Wasser verordnet, unterzieht er sich 1919 einer Fastenkur – mit durchschlagendem Erfolg: Sie rettet ihm „Existenz und Leben“. Beides widmet er fortan der methodischen Entwicklung einer medizinisch fundierten Fastentherapie.
Als Arzt richtet er sein Augenmerk auf alle Aspekte ganzheitlicher Medizin, als spiritueller Mensch beschäftigt er sich mit dem Zusammenhang zwischen seelischen und körperlichen Selbstheilungskräften. Als Begründer des medizinischen Heilfastens verbindet er schließlich beides zu einer ganzheitlichen Therapieform – dem Buchinger-Heilfasten –, die er ab 1920 im Kurheim Dr. Otto Buchinger in Witzenhausen erfolgreich anwendet und weiterentwickelt.
Einsatz für den ganzen Menschen
1935 veröffentlicht der „Pionier des Fastens“ sein Hauptwerk ``Das Heilfasten``, das bis heute immer wieder aufgelegt wird. Es enthält die erste systematische Beschreibung der Physiologie des Fastens und nennt eine Reihe von Krankheiten, die auf das Heilfasten ansprechen. Im selben Jahr übersiedelt er nach Bad Pyrmont, wo er eine größere und modernere Fastenklinik eröffnet, und Ärzte, Physiotherapeuten und Künstler beschäftigt. Er selbst kümmert sich nicht nur um die körperlichen, sondern auch um die seelischen Aspekte der Gesundung und Gesunderhaltung. Dazu hält er unter anderem „kollektive Sprechstunden“ ab, bei denen etwa Musik von Beethoven gespielt oder Gedichte von Goethe und Rilke rezitiert werden, denn eine seiner Grundüberzeugungen lautet: „Ebenso wichtig wie die stoffliche Nahrung des Menschen ist das, was er sich geistig und kulturell zuführt.“
Der Königsweg der Heilkunst
Seinen Grundüberzeugungen folgend, begreift Dr. Otto Buchinger das Fasten unter ärztlicher Aufsicht und in inspirierender Atmosphäre auch nicht als einmalige Korrektur für eine aus der Balance geratene Gesundheit, sondern als den „Königsweg ganzheitlicher Heilkunst“, der uns auf nachhaltige Weise zu einem bewussteren Lebensstil und zu den Quellen unserer Selbstheilungskräfte führen kann.
1953 erhält er für diese heilkundliche Pionierleistung das Bundesverdienstkreuz. Im gleichen Jahr gründet er gemeinsam mit seiner Tochter Maria und Schwiegersohn Helmut Wilhelmi eine neue Klinik in Überlingen am Bodensee, die er noch einige Jahre als Chefarzt leitet. Regelmäßiges Fasten bleibt für ihn zeitlebens ein Bedürfnis – und Kraftquell für ein langes, gesundes und tätiges Leben, in dem er viel bewegt. 1966 stirbt er im Alter von 88 Jahren.
Seine unmittelbaren NachfolgerInnen sind Dr. Heinz Fahrner und Dr. med. Hellmut Lützner sowie Dr. Gisela Falzone und Dr. Karl Spieske. Sowohl Dr. Fahrner als auch Dr. Lützner veröffentlichen Bücher und zahlreiche Artikel in naturheilkundlichen und medizinischen Zeitschriften.
Die zweite Generation: Maria Buchinger – die Grande Dame des Fastens
1973 eröffnet Dr. Otto Buchingers Tochter Maria gemeinsam mit ihrem Mann Helmut Wilhelmi eine zweite Fastenklinik im andalusischen Marbella. Nach dem Tod ihres Mannes 1985 wird Maria Buchinger auch international immer mehr zur „Grande Dame des Fastens“. Überzeugt davon, dass die Fastenmethode ihres Vaters im von der Sonne verwöhnten Marbella besonders gut wirkt, treibt sie die Expansion der Clínica Buchinger Wilhelmi voran. „Wir geben den Menschen Lebensqualität zurück“, lautet ihr Credo. In der Folge entwickelt sich die Klinik in Marbella unter ihrer Leitung zu einem der renommiertesten ausländischen Unternehmen an der Costa del Sol.
Maria Buchinger Wilhelmi wird 1995 für ihr Wirken mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. 2003 kürt der Unternehmerverband Marbella sie sogar zur Unternehmerin des Jahres – als erste Frau und erste Ausländerin.
2011, ein Jahr nach ihrem Tod, gründet die Familie eine nach ihr benannte Stiftung zur wissenschaftlichen Erforschung und Dokumentation des Heilfastens.
Die dritte Generation
In Marbella setzen Tochter Jutta und Schwiegersohn Claus Rohrer das Lebenswerk von Mutter und Großvater fort. Die Klinik am Bodensee wird ab 1985 von Marias Sohn Raimund Wilhelmi und seiner Frau Dr. Françoise Wilhelmi de Toledo geführt.
Dr. Françoise Wilhelmi de Toledo gehört zu den angesehensten FastenexpertInnen weltweit. Sie hat zahlreiche Beiträge zum Thema Fasten veröffentlicht und die Kooperation der Buchinger Wilhelmi Kliniken mit Kliniken und Universitäten weltweit vorangetrieben. Unter ihrer Leitung arbeitet die Forschungsabteilung der Klinik Buchinger Wilhelmi bis heute an mehreren extensiven Studien.
Die Wirksamkeit des Heilfastens – durch Studien belegt
Anfang 2019 wird die bisher größte wissenschaftliche Studie zur Wirkung des Buchinger-Heilfastens veröffentlicht. Dabei werden insgesamt 1.422 Fastende beobachtet. Es kann gezeigt werden, dass das Heilfasten nach Buchinger sicher und therapeutisch wirksam ist und das emotionale und physische Wohlbefinden steigert. Eine weitere Studie belegt, dass sich krankhafte Fettansammlungen in der Leber durch Buchinger-Heilfasten reduzieren lassen. So kann einer Leberzirrhose vorgebeugt werden. Weitere Studien beschäftigen sich mit der Wirkung des Buchinger Wilhelmi Fastenprogramms auf die muskuläre Leistungsfähigkeit und auf das Mikrobiom.
Die vierte Generation
Ende 2017 beschließen Jutta und Claus Rohrer, sich nach 35 Jahren aus dem operativen Geschäft zurückzuziehen und die Leitung der Klinik in Marbella ihrer Tochter Katharina Rohrer-Zaiser und ihrem Neffen Victor Wilhelmi zu übertragen. Im März 2019 gibt auch Raimund Wilhelmi den Staffelstab weiter und überträgt die Geschäftsführung der Klinik Buchinger Wilhelmi Bodensee seinem Sohn Leonard Wilhelmi. Als Urenkel Otto Buchingers fühlen sich alle drei Geschäftsführenden der Tradition des Familienunternehmens eng verbunden. Im Bewusstsein der Wichtigkeit gemeinsamer Werte haben sie für beide Kliniken in zahlreichen Familientreffen ein verbindendes Leitbild erarbeitet.
2020: Hundert Jahre Buchinger-Heilfasten
Im Jahr 2020 feiert das Familienunternehmen Buchinger Wilhelmi sein 100-jähriges Jubiläum: Am 2. August 1920 behandelte Dr. Otto Buchinger seinen ersten Patienten in seinem Kurheim in Witzenhausen.