VON DATEN ZUR PRAXIS: IHR KOMPASS IM FASTEN – OKTOBER 2025
Diesen Monat in der Fastenforschung: Was unsere Perspektive verändert hat
Wissenschaft bewegt sich oft leise. Manches Ergebnis erregt keine Schlagzeilen – und verändert doch, wie wir unseren Körper sehen. Jüngste Studien liefern Signale, die das Verständnis des Fastens schärfen.
1) Wenn der Lebensstil die Fruchtbarkeit unterstützt
In einer kleinen Studie folgten Frauen in Vorbereitung auf eine IVF, einer Methode der künstlichen Befruchtung, bei der Eizellen im Labor befruchtet und in die Gebärmutter eingesetzt werden, drei Monate lang einer sehr kalorienarmen ketogenen Ernährung. Die meisten nahmen ab, behielten aber ihre Muskelmasse.
Überraschend: Einige wurden noch vor dem Eingriff spontan schwanger, mehr als die Hälfte der anderen danach. Die These: Stabilisiert sich der Stoffwechsel, öffnen sich mitunter Türen, die zuvor verschlossen schienen – auch in Richtung Fruchtbarkeit. In unseren Kliniken hören wir solche Geschichten immer wieder nach Fastenkuren. Das sind noch keine Beweise, aber deutliche Signale – und ein klarer Weg für unsere künftige Forschung.
2) Darmbakterien mit Hormonwirkung
Forschende fanden Darmbakterien, die Moleküle produzieren, die GLP-1 ähneln – jenem Hormon, auf das moderne Abnehmmedikamente zielen. In Mausmodellen reduzierten diese natürlichen Stoffe Körperfett und verbesserten den Blutzucker. Eine einfache Idee drängt sich auf: Ein Teil zukünftiger Therapien könnte aus uns selbst kommen – aus unserem Mikrobiom, nicht aus einer Injektion. Mehr dazu
3) Fasten gegen Entzündung: die Rolle von Spermidin
Während des Fastens steigt die körpereigene Produktion von Spermidin. In einem Mausmodell gichtähnlicher Entzündung verringerte Fasten die Schwellung, indem es einen zentralen „Schalter“ der Entzündung beruhigte; die Gabe von Spermidin zeigte einen ähnlichen Effekt. Ja, Spermidin gibt es als Supplement – doch Fasten aktiviert es eingebettet in eine umfassendere, fein abgestimmte Antwort des Organismus. Wir konnten in einer wissenschaftlichen Arbeit zeigen, dass das Buchinger-Fasten die Spermidinproduktion steigert und damit über Autophagie zelluläre Regeneration aktiviert. Mehr dazu
4) Die Leber liebt Rhythmus – nicht Überraschung
Eine weitere Studie zeigte: Folgt Fasten einem verlässlichen Takt, passt sich die Leber harmonisch an und bleibt gesund (Zur Studie). Wird Nahrung hingegen unvorhersehbar entzogen, lagert die Leber rasch Fett ein. Die Botschaft: Organe verkraften geplantes Fasten besser als zufällige Nahrungsabbrüche. Vorbereitung und Übergang in die Fastenzeit sind entscheidend. Orientierung dazu finden Sie in unseren YouTube-Inhalten.
5) Medikamente wirken besser im Takt
Bei PatientInnen unter dem neuen Medikament Tirzepatid verdoppelte sich die Verbesserung der Leberverfettung, wenn parallel eine ketogene Ernährungsweise verfolgt wurde – im Vergleich zu bloßer Kalorienreduktion. Das ist kein Entweder-Oder, sondern ein Sowohl-als-auch: Medizin und Lebensstil entfalten gemeinsam ihre größte Wirkung (Zur Studie). In den Buchinger Wilhelmi Kliniken nehmen wir Anti-Adipositas-Medikamente ernst. Und ja: Unsere Ärzteteams arbeiten daran, wie therapeutisches Fasten PatientInnen helfen kann, diese Präparate langfristig und verantwortungsvoll zu verlassen – zugunsten nachhaltiger Gewichtsregulation ohne Medikamente.
Woran unser Wissenschaftsteam arbeitet
Die internationalen Ergebnisse resonieren mit unseren klinischen Beobachtungen. Im Rahmen unseres FastForward-Programms begleiten wir PatientInnen nicht nur durch die Fastenphase, sondern auch in der Rückkehr in den Alltag.
Zudem haben wir im Oktober eine Frauengesundheits-Erhebung gestartet: Wir erfassen, wie Fasten je nach Lebensphase wirkt – von regelmäßigen Zyklen über Perimenopause bis Postmenopause. Wir sammeln Daten zu Zyklusbeschwerden, PMS, Schlaf, Hitzewallungen und Stimmung – vor und nach dem Fasten.

Warum? Unsere medizinischen Teams beobachten seit Jahren: Viele Frauen berichten über gelinderte Menopausensymptome; Zyklen stabilisieren sich, PMS und Reizbarkeit nehmen ab. Das sind klinische Signale – noch keine Publikation, aber deutliche Spuren. Und leise stellt sich im Hintergrund eine weitergehende Frage: Kann Fasten in manchen Fällen die Chance auf Fruchtbarkeit wieder eröffnen?
Was Sie für sich mitnehmen können
- Gewählt statt improvisiert: Ein geplanter Fastenzyklus wirkt tiefer als spontane Nahrungsverzichte.
- Rhythmus nährt das Mikrobiom: Achten Sie auf Essfenster, Ballaststoffe, Fermentiertes – und auf Regelmäßigkeit.
- Mehr als ein Supplement: Präparate können Einzelwirkungen imitieren; Fasten koordiniert viele Prozesse zugleich. Tun Sie das Echte.
- Medizin + Lebensstil: Medikamente können Türen öffnen – Routinen und Verhaltensänderungen halten sie offen.
- Timing, Disziplin, Routine: Gesundheit entsteht oft weniger durch „mehr“, sondern durch den richtigen Zeitpunkt und verlässliche Abläufe.
Unser wissenschaftliches Team sichtet kontinuierlich neue Forschung weltweit – mit einem Ziel: an der Spitze klinischer Innovation im Bereich Fasten und Metabolismus zu bleiben und unsere medizinische Praxis fortlaufend zu verfeinern. Für eine Betreuung, die evidenzbasiert ist – und persönlich spürbar.
Dr. Robin Mesnage ist wissenschaftlicher Direktor der Buchinger Wilhelmi Kliniken und dokumentiert in Studien die Wirkungen des Fastens, während er moderne Diagnostik in die Therapie integriert. Als Research Fellow am King’s College London erforscht er die Rolle des Darmmikrobioms für die Vorteile pflanzlicher Ernährung. Er berät Behörden – u. a. die französische Regierung und gelegentlich das Europäische Parlament – zur Regulierung chemischer Schadstoffe und ist ein gefragter Redner. Über 100 Publikationen mit mehr als 8.000 Zitationen zählen ihn zu den weltweit 1 % meistzitierten Forschenden im Bereich Umwelt und Gesundheit.







